Der Aufstand

Pantomime für das Kino



I. Die Auflehnung

1. Der Streik. Vor der Fabrik des Reichen. Frauen, Kinder, Bettler vor den Toren. Arbeiter kommen in langem Zug. Man hindert sie, in die Fabrik einzutreten. Bitten. Drohungen. Einige dringen trotzdem durch das Gewühl in die Fabrik. Der Zug der Arbeiter mit einer Fahne "Streik" durch die Straßen.

2. Der Reiche bewohnt ein großes Schloß. Vom Schloß eine breite Treppe, die hinab in den Park führt; oben am Ende der Treppe eine Terrasse. Schloß und Park sind von einer Mauer umgeben, die ein großes Gittertor hat. Durch die Gitterstäbe sieht man die Stadt. Die Masse der Streikenden, geführt von dem Buckligen, erscheint hinter dem Gittertor. Ein alter Diener, erschreckt, verhandelt mit ihnen. Er läuft ins Schloß, um den Reichen zu fragen. Der Bucklige winkt: vier Streikende treten als Abordnung vor.

3. Das Zimmer der Geliebten im Schloß. Aus einem Fenster übersieht man Terrasse, Treppe, Park und Mauer. Die Geliebte des Reichen liegt auf vielen Kissen. Der Reiche umwirbt sie, küßt sie, bindet ihr den Schuh. Sie zieht ihn zu sich, umschlingt ihn. Sie springt auf und will spazieren fahren. Der Reiche winkt den Kammerfrauen, sie anzukleiden. Der Sohn des Reichen tritt ein. Er liebt die Geliebte des Vaters. Die Geliebte scheinbar unbemerkt vom Vater, gibt ihm halb versprechende Blicke. Der alte Diener kommt ängstlich und meldet die Abordnung der Streikenden. Der Reiche winkt, sie gleich heraufzuführen. Man sieht durch das Fenster die vier Streikenden mit dem Buckligen durch das Gittertor in den Park treten und über die Treppe ins Schloß kommen. Eintritt der vier Streikenden und des Buckligen ins Zimmer der Geliebten. Während der Bucklige still mit gekreuzten Armen dasteht und die Geliebte anblickt, treten die vier Streikenden vor den Reichen mit drohenden Bewegungen. Sie zeigen auf den Reichtum des Zimmers und auf ihre eigenen Lumpen. Sie erheben die Fäuste. Der Reiche tritt ihnen zornig entgegen. Er will nur mit ihrem Führer verhandeln. Der Bucklige tritt vor ihn. Der Bucklige winkt, und die vier Streikenden ziehen sich zurück und verlassen das Schloß. Der Reiche versucht, den Buckligen zu gewinnen. Es mißlingt. Der Reiche winkt dem alten Diener, der eine Geldkassette bringt. Der Reiche versucht, den Buckligen mit Geld zu bestechen. Der Bucklige weist es lachend zurück, seine Macht ist viel größer. Der Sohn, hingerissen von der Sicherheit des Buckligen, stürzt auf ihn zu, drückt seine Hände und stellt sich auf seine Seite. Der Reiche reißt den Sohn zornig zurück und weist ihn zu Gehorsam. Die Geliebte stellt sich zwischen die beiden Streitenden. Der Bucklige verläßt das Schloß in höhnischem Triumph. Als er das Schloß verlassen hat, kommt vor das Gittertor der Offizier mit zwei Soldaten. Der Offizier begehrt Einlaß, er marschiert mit den zwei Soldaten durch den Park, drillt sie mit Exerzier- und Turnübungen, läßt sie auf der Treppe noch Paradeübungen machen und postiert sie auf der Terrasse. Er tänzelt ins Schloß, stellt sich den Anwesenden vor, als zum Schutze gegen den Streik abkommandiert. Durch das Fenster sieht man, wie die zwei Soldaten auf der Terrasse eine Kammerfrau an den Röcken hin und her ziehen. Die Geliebte macht den Offizier darauf aufmerksam, er stürzt wütend hinaus zu den Soldaten. Die Geliebte ist zum Ausgehen fertig und verläßt das Zimmer. Der Sohn will ihr nach. Der Vater tritt ihm entgegen.

4. Ausfahrt der Geliebten aus dem Schloß. Vorbei an der Fabrik. Streikende umringen das Auto; es fährt flüchtend davon. Fahrt nach dem Flußufer. Park am Fluß.

5. Düstere Gegend am Fluß, Gebüsch. Eine niedrige Mauer, die das Ufer zum Fluß abgrenzt. Der Bucklige tritt auf. Winkt. Aus dem Gebüsch, auf dem Weg, herauf vom Fluß über die Mauer sammeln sich schnell Zerlumpte, Krüppel, Bettler an. Sie schütten Geld aus, legen Diebessachen auf einen Haufen. Der Bucklige öffnet einen Sack, holt Waffen hervor und verteilt sie. Er stutzt und horcht in die Ferne. Durch die Büsche sieht man von weitem den Wagen der Geliebten. Der Bucklige winkt allen, die Sachen zusammenzuraffen und zu verschwinden.

6. Der Wagen der Geliebten hält an einer einsamen Stelle. Sie will allein spazieren gehen, winkt dem Diener, der furchtsam seine Begleitung aufdrängen will, zurückzubleiben. Sie geht am Ufer entlang. Das Ufer macht eine Biegung, sie kommt zum Platz mit Gebüsch und Mauer. Der Bucklige tritt aus dem Gebüsch. Schreck, Wiedererkennen. Der Bucklige umwirbt sie; wird gebieterisch. Sie nimmt nach und nach ordinäre Bewegungen an. Zuletzt sind ihre Bewegungen eckig und gemein. Der Bucklige küßt sie, sie küßt ihn. Hinter der Flußmauer erscheinen die Köpfe der Zerlumpten, wenig hoch über dem Boden. Die Geliebte springt vor ihnen in einem brutalen Tanz. Sie reißt ihren Mantel ab.

II. Die Flucht

7. Abend im Schloßhof vor der Treppe. Die hohen Fenster hell beleuchtet. Im Schloß gibt der Reiche ein Fest. Wagen fahren am Gittertor vorbei, Gäste in Masken hüpfen in den Hof, Diener führen sie herauf ins Schloß. Der Sohn des Reichen liegt unter einem Baum, unmaskiert. Ein Diener kommt, ihn ins Schloß zu bitten. Er lehnt ab. Der Reiche tritt heraus, um den Sohn herauf zu winken. Der Sohn: Nein! - Der Reiche ins Haus. Durch die Fenster sieht man die Trinkenden und Tanzenden im Innern des Schlosses als Schatten. Der Sohn erhebt sich, droht gegen das Haus. Es ist Nacht. Er sieht auf den Himmel. Die Gebäude und Bäume verschwinden langsam. Alle Helligkeit zieht sich in einen einzigen leuchtenden Punkt zusammen. Der Sohn steht vor einem Nachthimmel, auf dem nur ein eiziger Stern steht. Man sieht nur sein nach oben gewendetes Gesicht ... in der Höhe den Stern. Unten bilden sich Formen. Die Geliebte ist in seiner Nähe. Das Schloß und der Park erscheinen wieder. Die Geliebte mit Maske ist vor ihm, winkt ihm, heraufzukommen, berührt seinen Arm. Der Sohn stürzt vor sie hin, greift nach ihr. Sie wehrt sich. Er will mit ihr fliehen. Sie weigert sich. Sie spielt mit ihm. Sie will ins Schloß zurück. Er umschlingt sie und küßt sie. Sie gibt nach. Der Sohn und die Geliebte laufen zum Gittertor und verlassen das Schloß.

8. Zerfressenes Gemäuer vor dem Haus des Buckligen. Zerlumpte schleichen in der Nacht durch die Straße, sehen sich scheu um, hüpfen ins Haus. Straßenmädchen streichen vorbei, kommen mit berauschten Männern am Arm zurück und ziehen sie ins Haus. Der Sohn und die Geliebte kommen. Er stutzt vor dem Hause, besinnt sich. Sie zieht ihn hinein: Du mußt! - Finsterer Hof. Vor einer Kellertreppe findet sie eine kleine Laterne. Abstieg. Vor einer Eisentür springt ein zerlumpter Junge wüst auf. Sie wechselt Zeichen mit dem Jungen. Der Junge führt die beiden durch Gänge tiefer hinunter.

9. Großes Kellergewölbe im Haus des Buckligen. Man sieht in eine Flucht von kleinen Räumen und Nischen. Zerlumpte spielen an Tischen Karten. Mädchen mit Männern trinkend an der Erde auf Kissen. Die Frauen kommen aus den Nebenräumen und verschwinden mit den Männern. Der Bucklige sitzt im Hintergrund an der Wand auf einem sehr hohen, thronartigen Sessel, unbeweglich. An der Wand neben ihm eine große Fackel. Man klopft an die Außentür. (Zwischenszene: der Sohn und die Geliebte stehen mit dem Jungen außen im Gang vor der Tür.) Die Anwesenden fahren auf. Der Sohn und die Geliebte treten ein. Der Sohn bietet sich den Geschöpfen des Buckligen an: Ich gehöre jetzt zu Euch! - Von allen Seiten Krüppel, Bettler, Apachen. Die Dirnen kommen mit neuen Männern von der Straße. Wilder Tanz der Frauen mit den Krüppeln. Die Frauen reißen ihre Kleider zu Fetzen. Der Bucklige packt die Fackel, löscht sie gewaltsam und schwingt sie als Angriffssignal. Die Apachen haben Messer in den Händen und stürzen sich auf die Männer, die mit den Mädchen kamen. Sie stechen sie nieder, plündern sie aus. Die Leichen werden durch eine Falltür in der Mitte des Raumes in die Tiefe geworfen. Der Bucklige steigt vom Stuhl und setzt sich mit dem Sohn und der Geliebten an einen Tisch zum Spiel. Der Sohn verliert alles. Beim nächsten Spiel mischt er die Karten und behält (mit grotesken Bewegungen) eine Karte "heimlich" zurück. Er spielt falsch. Der Bucklige entdeckt es und zieht ein Messer. Der Sohn hat einen Revolver in der Hand und schießt den Buckligen nieder. Getümmel. Die Geliebte steht neben dem Sohn mit einem Revolver. Sie siegen über die Angreifer. Der Sohn wirft den Kameraden alles Geld hin: Jetzt ich Euer Führer! - Die Geliebte wird mit einem Ruck demütig, kniet vor ihm, küßt ihm die Hand. Er packt sie roh am Hals.

10. Auf der Straße. Die Geliebte lockt einen Mann an. Der Sohn steht als Apache, zerlumpt an die Wand gedrückt und schleicht dem Paar ins Haus nach; er zieht ein Messer. Er besinnt sich plötzlich. Kann nicht; das Messer fällt hin. Dunkelheit. Der Stern erscheint über seinem Kopf (wie in der siebenten Szene). Es wird wieder hell. Er hebt das Messer auf und stürzt entschlossen ins Haus.

III. Der Aufstand

11. Im Schloßhof. Durch die Fenster das Fest im Schloß. Die Geliebte kommt allein durch das Gittertor zurück. Sieht sich um, ob niemand sie beobachte und verschwindet im Park. Maskierte Gäste kommen angeheitert die Treppe herunter. Die Geliebte erscheint wieder, festlich angekleidet, nimmt die Maske um und steigt die Treppe hinauf. Der Reiche erscheint aus dem Saal, kniet vor ihr nieder, alle Gäste huldigen ihr, in betrunkener Lustigkeit. Vor dem Gittertor sammeln sich Bettler und Krüppel an und strecken die Hände aus. Die Gäste sind gestört; Entrüstung. Die Geliebte befiehlt dem Reichen, die Bettler mit Gewalt wegzujagen. Die Diener kommen mit Stöcken und Peitschen, stürmen aus dem Gittertor hüpfend heraus und jagen die Armen mit Schlägen fort. Ein Bettler wird von den Dienern verwundet; stürzt hin, wird vom Volk weggetragen. Der Reiche winkt indessen die Gäste herauf auf die Terrasse; sie küssen der Geliebten die Hände und das Kleid. Die Streikenden erscheinen vor dem Gittertor. Die vier Abgesandten der Streikenden treten vor und rütteln am Tor. Der Reiche, im Schloßhof, verhöhnt sie. Die vier Abgesandten drohen. Sie winken dem Volk hinter ihnen und deuten auf die Fenster im Schloß. (Zwischenszene: In der Maschinenhalle der Fabrik. Arbeiter an den Dynamos. Streikende kommen hereingestürzt und fordern, die elektrische Leitung zu unterbrechen. Ein Arbeiter geht zum riesigen Schaltbrett und dreht den großen Schalthebel zurück.): Das elektrische Licht im Schloß erlischt. Bestürzung im Schloß. Alle Gäste kommen in den Hof. Diener bringen Fackeln.

12. In der Vorstadt. Der Sohn an der Spitze eines Bettlerhaufens rast durch die Stadt. Er klopft an die Türen, man holt die Leute heraus. Die Stadt wird aufgewiegelt. Der Zug der Aufständischen, mit Waffen, Piken, Fackeln wird immer größer, una alle springen mit schreienden Mäulern und wilden Bewegungen durch die Straßen.

13. In der Maschinenhalle. Arbeiter an den Dynamos. Der Sohn kommt mit den vier Streikenden. Die Aufständischen am Eingang zeigen den Arbeitern den Verwundeten. Die Arbeiter verlassen die Maschinen. Die Aufständischen dringen herein. Man demoliert die Maschinen.

14. Die Belagerung des Schlosses. Im Schloßhof. Der Reiche, die Geliebte, die Gäste. Die Masken tanzen. Mitten in den Tanz stürzen die entsetzten Diener. Von fern naht der Zug der Aufrührer. Das Schloßtor wird verbarrikadiert. Belagerung und Schlacht. Schüsse. Die Aufständischen siegen. Sie klettern über die Mauer, zerbrechen die Barrikaden. Im Schloßhof. Niedermetzelung der Gäste. Die Geliebte mitten unter ihnen, stößt eine Maske mit dem Messer nieder und schießt auf die anderen. Der Reiche kämpft. Der Sohn kommt von der Straße mit neuen Aufrührern. Der Reiche erkennt den Sohn und flieht. Der Sohn stürmt hinter ihm her. Die Geliebte in höchster Wildheit, wirft sich auf die Treppe. Die Aufständischen alle an ihr vorüber. Die Männer küssen sie, umschlingen sie und stürmen dann ins Haus. Die Geliebte, einen Moment allein, richtet sich auf der Treppe auf. Der Offizier kommt eilig angetänzelt, hinter ihm verschlafen die zwei Soldaten. Der Offizier grüßt diensteifrig die Geliebte. Er versteht nichts. Aus dem Schloß kommen Aufständische und ziehen die Geliebte umarmend ins Haus. Der Offizier begreift entsetzt, stürzt mit den zwei Soldaten davon. Die Aufständischen kommen aus dem Haus. Das Schloß wird demoliert. Die Stadt brennt.

15. Durch die Stadt zieht Militär. An der Spitze der Reiche und der Offizier.

16. Im Haus des Buckligen. Der Sohn und die Geliebte sind allein in einer Bodenkammer. Beide mit Gewehren an den Dachluken. Das Haus ist belagert. Sie schießen auf die Straße.

17. Die Belagerung. Auf der Straße. Auf allen Dächern ist Militär. Unten versucht man, das Haustor einzurennen. Der Sohn und die Geliebte schießen von oben herunter. Das Militär legt Feuer an das Haus. Das Haus brennt. Man schießt unablässig. Soldaten werden getroffen. Der Reiche und der Offizier leiten die Belagerung.

18. Im Innern des Hauses. Das Haus brennt. Der Sohn und die Geliebte flüchten vom Boden die Treppen hinab bis ins Kellergewölbe. Sie öffnen die Falltür und lassen sich hinab. Im Raum unter der Falltür Leichen Ermordeter. Sie winden sich unter den Leichen hindurch und kommen in einen unterirdischen Gang. Der Gang. Man sieht sie schattenhaft den Gang lang jagen. Ganz hinten am Ende des Ganges ein heller Punkt. Der Gang breitet sich aus: Man sieht den Nachthimmel mit einem einzigen Stern in der Höhe und dem Sohn allein davor (wie in der siebenten Szene des zweiten Teiles). Ihm zu Füßen bilden sich Formen, die Geliebte ist da. Der Himmel verengert sich zum Gang, der helle Punkt (der Stern) word größer. Es ist der Ausgang des Ganges. (Zwischenszene: der Reiche und der Offizier kommen ins Kellergewölbe, durchsuchen es, entdecken die Falltür und steigen hinab.) Der Sohn und die Geliebte steigen durch den Ausgang herauf in die Höhe.

19. Helle Sonne über breitem, verlassenem Flußufer. Durch ein niedriges Gebüsch steigen der Sohn und die Geliebte aus dem gang hervor. Beide erschöpft, fallen nieder. Dann wollen sie fliehen und laufen hinab zum Fluß. Aus dem Ausgang des Ganges steigen der Reiche und der Offizier und stürmen auf die Fliehenden zu. Der Sohn wirft sich dem Vater entgegen. Der Sohn ersticht im Kampf den Vater. Der Offizier schießt den Sohn nieder. Der Offizier steht vor der Geliebten. Er legt den Revolver auf sie an. Sie umwirbt ihn. Der Offizier wird schwankend. Sie bietet ihm ihren Mund. Er küßt sie. Aus dem Gang springen die zwei Soldaten hervor. Die Soldaten hüpfen im Angriff auf die Geliebte zu. Der Offizier befiehlt ihnen, zu salutieren. Sie stehen fassungslos stumm. Die Geliebte winkt herrschsüchtig die Soldaten rechts und links hinter sich. Sie befiehlt dem Offizier, niederzuknien. Er kniet und umfaßt sie. Die zwei Soldaten stehen bewegungslos stramm und rollen erstaunt die Augen.